Donnerstag, 28. September 2006

Muttertag

Also nehmen wir mal zugunsten der feministischen Theologie an, G'tt wäre eine Frau, dann wäre Jom Kippur ihr Muttertag, der Tag nämlich, an dem die sonst reichlich unaufmerksamen Kinder die Wohnung aufräumen, Mama das Frühstück ans Bett bringen (natürlich an Jom Kippur nur im übertragenen Sinne) und sich nett und artig geben. Wir ziehen uns adrett an, haben uns bei Deichmann koschere Synthetikpumps beschafft und fasten, wobei wir eifersüchtig darauf achten, dass die anderen Kinder der Familie an diesem Tag ebenso artig sind wie wir, sprich, sich nicht beim Essen, Trinken oder Rauchen erwischen lassen. Im Grunde genommen ist so ein Tag eine gute Sache, wir besinnen uns auf das, was wir im vorangegangenen Jahr verbockt haben und erhalten eine neue Chance, es im nächsten Jahr besser zu machen. Leider gelingt uns das meist ebenso wenig wie unseren christlichen Nachbarn nach Sylvester.

Was das Fasten angeht, gibt es für uns chronisch Kranke, die sich das ganze Jahr mit unangenehmen Begleiterscheinungen von Medikamenten und Diagnosen herumschlagen müssen, eine gute Nachricht, wir müssen nicht ganz so artig sein wie die anderen. Ich fasse mal das Ergebnis der Recherchen zusammen:

In jedem Fall ist es erlaubt, pro einzunehmendem Medikament 40 ml Wasser zu trinken, andere Autoritäten erlauben sogar Wasser unbegrenzt und pro Tablette 40 ml eines beliebigen Getränks. Mein morgendlicher Kaffee ist also in jedem Fall gerettet.

Bei Stoffwechselerkrankungen (Rheuma, Diabetes und anderen Autoimmunerkrankungen) ist es sogar nach Auffassung einiger Rabbiner gestattet, alle 40 Minuten eine Kleinigkeit zu essen, zum Beispiel ein Stück Brot von weniger als 40 g.

Natürlich empfiehlt es sich wie immer, im individuellen Fall einen Rabbiner zu Rate zu ziehen. Jedenfalls bedanke ich mich schon mal bei Chabad Baden, Itzchak Lifshitz, Shalem, Jerusalem und anderen, die bereit waren, diese Informationen herauszusuchen. Wer noch weitere Infos hat, sollte diese natürlich posten.

Also, G'mar chatima towa alle zusammen!

Meine ultimative Zensurliste

Mein lieber Dr. Greve, was ich hier schreibe ist kein plötzlicher Ausbruch einer größenwahnsinnigen Psychose, sondern lediglich eine kleine Machtfantasie von mir, also sozusagen eine Imaginationsübung - 983...966...949 und los! Ich bin jetzt Imperator Palpatine, General Smith und Gul Dukat in einer Person vereinigt und verfüge über die absolute Macht, alles und jeden in Presse und Medien der Zensur zu unterwerfen, was mich schon immer genervt hat, dann stehen ab sofort folgende Dinge auf meiner persönlichen Abschußliste:

Frauenzeitschriften wie Glamour, Instyle etc.: Anstatt sich darum zu bemühen, mir Kleider auf meinen majestätischen Leib zu schneidern, zeigen diese Dissidenten mit täglich Fotos von anorektischen Hungerleiderinnen in Designerfummeln, für deren Anschaffung mein knapper Staatshaushalt nicht ausreicht. Bereits die Zunahme auf Kleidergröße 38 bei einer Schauspielerin wird mit zynischer Häme quittiert, so schnell würde noch nicht einmal ich jemanden meiner Vasallen der Disziplinlosigkeit und des Versagertums beschuldigen. Meine intergalaktischen Gefängnisse bieten ihren Gefangenen bessere und nahrhaftere Mahlzeiten an, als normalen Frauen von der Straße hier an Ernährung zugestanden wird. Wenn ich Amnesty nicht schon längst verboten hätte, würde ich diese Organisation auf die Redakteurinnen dieser Zeitschriften loslassen, so lautet mein Urteil: Verbannung an den Hof von Jabba the Hutt und fünf sahnige Mahlzeiten am Tag.

Bücher von Konzelmann, Scholl-Latour und Küng zum Thema Islam: Schafft mir dieses Zeug vom Hals, hat eigentlich noch niemand gemerkt, dass dieser Schrott eine wirkliche Beleidigung für den Islam darstellt? So schlimm können Rushdie, dänische Zeitungen und Idomeneo doch zusammen nicht sein! Außerdem mag ich es als Herrscherin der Welt natürlich gar nicht, wenn mir irgendwelche Egomanen den Rang ablaufen wollen. Mein Urteil: Verbannung auf den Mond mit einem Jahresvorrat gefiltem Fisch aus der Dose und 200 Flaschen Brottrunk.

Schlechtgemachte Sci-Fi und Fantasy Serien: Ein böswilliger Anschlag auf mein ästhetisches Empfinden und meine strapazierte Geduld. Ich habe folgenlang gewartet, dass bei Lost mal etwas spannendes passiert, habe die grauenhaften Kostüme bei Herkules und Xena ertragen und verzweifelt gehofft, dass dieser Commander dessen Namen ich mir nie gemerkt habe, aus dieser Andromeda-Serie, die angeblich auf dem Mist des genialen Gene Roddenberry gewachsen sein soll, endlich irgendwelchen verschimmelten Aliens in billigen Plastikkostümen zum Opfer fällt. Da könnte ich ja schon eher eine Verfilmung von Bordbuch Delta VII vertragen, obwohl mein Hund und ich dort wenig schmeichelhaft dargestellt werden. Mein Urteil also: Verbannung nach Alpha Centauri und nachsitzen bis der Arzt kommt!

Berichte über deutsches Judentum im Fernsehen: Da in meinem galaktischen Imperium das Judentum natürlich zur Staatsreligion erhoben wird, werde ich als erstes diese Reportagen auf gefilte Fisch Niveau unterbinden, in denen meine geliebte Religion auf Folklore reduziert wird, so dass der Bürger auf der Straße meint, dass wir uns alle mit den dort gezeigten zniesdiken Klamotten verkleiden, wenn wir in die Gemeinde gehen. Ich will was positives sehen, zukunftsgerichtete Projekte, wie Etz Ami zum Beispiel. Normale Juden aus Fleisch und Blut, keine Anatevka Verfilmung. Mein Urteil: Verbannung der Macher zu siehe oben....

So, jetzt aber Schluß mit diesen kriminellen Fantasien, ich zähle rückwärts von 10 und befinde mich wieder in der Realität (in Wirklichkeit hat mein Browser gerade gemeldet, dass ich zwei neue Mails habe). Na zum Glück gibt es hier noch keine Zensur, aber der Gedanke mag für manche Menschen verlockend sein...

Alltäglicher Wahnsinn

Eigentlich wollte ich meinen PC schon zur wohlverdienten Nachtruhe schicken, aber dank eines Interviews, das Günther Jauch mit der Intendantin Wer-auch-Immer von der Berliner Oper führte, darf der alte Herr noch nicht in den Schönheitsschlaf sinken. Auch wenn er mich deshalb böse anbrummt, so weiß ich doch immerhin dadurch, dass ich mich immer noch in der Realität befinde und nicht in meinem vor kurzem veröffentlichten FanFic, in dem ein an Vogelgrippe erkranktes Mädchen Massenhysterie und Diktatur auslöst.

Nun, so weit ist es zum Glück noch nicht, aber immerhin hat die Massenhysterie dazu geführt, dass auf Grund eines anonymen Anrufs an der Berliner Oper vier Aufführungen von Idemeneo ausfallen, da Mozart offenbar schon damals ausgezogen war, um die islamische Welt zu beleidigen. Wohlgemerkt hatten nicht Usama bin Laden, Ayatollah Khomeini aus dem Totenreich oder sonstige medienbekannten Superschurken in Berlin angerufen, sondern eine Person weiblichen Geschlechts, die noch nicht mal bereit war, der Öffentlichkeit ihren Namen zu nennen. Es könnte sich also sowohl um einen Schülerstreich als auch einen Anruf von Station 1 in Süchteln gehandelt haben. Oder von jemandem, der einfach keine Mozart-Opern mag. Der nächste Anschlag könnte also der Entführung aus dem Serail (äußerst politisch unkorrekt) oder der Zauberflöte (anonyme islamistische Tierschützer laufen Sturm gegen den Vogelfänger) gelten. Die Intendantin erklärte standhaft, bei der Programmänderung nur das Wohl des Publikums im Sinn zu haben, da einer ihrer Freunde auch morgen noch an ihrem schönen Opernhaus vorbeifahren wolle. Wahrscheinlich surren schon verdächtige Flugzeuge darüber herum. Ich persönlich würde in diesem Fall empfehlen, schon einmal Chuck Norris, das Stargate Team und Luke Skywalker vor der Oper zu postieren. Die wenden bekanntlich jedes Unheil von der zivilisierten Menschheit ab, also werden sie auch mit mozarthassenden Islamisten fertig werden.

Wenn ich an meine Zeit als Jugendgruppenleiterin einer kleinen jüdischen Gemeinde zurückdenke, kann ich da nur den Kopf schütteln. Fast jedesmal hatten wir irgendeine Bombendrohung, aber trotzdem gaben wir nicht auf. Sonst hätte jede jüdische Gemeinde in Deutschland und anderswo längst dichtmachen müssen, denn in unruhigen Zeiten sind Bombendrohungen dort fast an der Tagesordnung.

Ich will hier keine tatsächlich existierenden Gefahren verharmlosen, aber es kann doch nicht angehen, dass wir unsere Gesellschaft jetzt in vorauseilendem Gehorsam selbst lahmlegen und uns keinen Schritt mehr vor die Tür trauen. Seit Jahren leide ich unter einer generalisierten Angsterkrankung, und manche meiner Ängste sind berechtigt. von anderen kann ich mich langsam mühsam befreien. Aber verkriechen gilt nicht. Auch bin ich sehr dafür, das Provozieren anderer Religionen möglichst zu unterlassen, aber ich kann nicht einsehen, dass eine Oper, die seit unzähligen Jahrzehnten aufgeführt wird, plötzlich eine Provokation sein soll, wohlgemerkt nicht auf Protest einiger Muslime, sondern auf Grund eines einzigen Anrufs. Dass auch Muslime eine Menge Humor verpacken können, beweisen Shows wie die von Kaya Yanar, oder hat jemand schon einmal einen Massenprotest türkischer Muslime gegen Fahrschule Yilderim gesehen? Auch wir Juden können diesbezüglich einiges ab, sonst wären Mel Brooks und Ephraim Kishon niemals zu solcher Popularität gelangt.

Also arbeitet doch endlich mal mit den vernünftigen Muslimen zusammen, nicht mit den passionierten Fahnenverbrennern, die nur auf einen Anlaß warten. Oder hört auf, auf seltsame anonyme Anrufe zu hören. Tut ihr doch sonst auch nicht.

Übrigens überlege ich gerade, ob ich mal bei jedem Opernhaus anonym anrufe, das Wagner-Opern aufführt. Das provoziert mich nämlich auch. Oder bei den Passionsfestspielen in Oberammergau oder bei Mel Gibson. Ob man mit meinen Gefühlen als Jüdin auch so sensibel umgeht?

Dienstag, 26. September 2006

Könnte ich orthodox sein?

Irgendwie scheint mich die Müdigkeit der letzten Tage erst heute so richtig einzuholen, also noch schnell ein Beitrag, bevor ich am PC einschlafe (was an einem P133 Baujahr 1997 nicht allzu schwer fällt!)

Angesichts einiger Gespräche an RhS kam die Frage auf, ob ich mir vorstellen könnte, auch orthodox zu leben. Schwierig, schwierig, kann ich da nur sagen, wie beantwortet man so eine Frage? Ich könnte mir vorstellen, strenger Kaschrut zu halten als bisher - sprich auch außerhalb meiner eigenen 4 Wände - ich könnte mir auch vorstellen, zniesdike Kleidung in gewissem Rahmen zu tragen. Vielleicht würde ich sogar das Rauchen aufgeben und am Schabbat nicht mehr fahren. Aber könnte ich mir auch vorstellen, nicht mehr vor gemischtem Publikum vorzubeten und hinter einer Mechitze zu versauern? Wenn es in Deutschland aktive Frauenminjanim gäbe, dann vielleicht auch das, aber leider sieht die orthodoxe Wirklichkeit hier noch nicht so aufgeschlossen aus wie in anderen Ländern, wo es auch Frauen ermöglicht wird, sich in orthodoxen Gemeinden außerhalb der Küche zu betätigen. Ich koche sehr gerne und auch sehr gut (wie mir ein orthodoxer Mann noch kürzlich bestätigt hat), aber als Küchenmamsell will ich mein Leben nicht verbringen. Das wurde mir erst dieses RhS klar, als ich eine eifersüchtige Breitseite einer orthodoxen Frau abbekam, die ihre Befriedigung wohl nur aus dem Kochen bezieht und sich nicht vorstellen kann, dass eine Frau auch kochen und Tora lesen kann.

Also, wenn orthodoxe Leute wie Avi Weiss, Saul Bermann, mein geschätzter Freund Itzchak Lifschitz oder Sara Hurwitz ihre Orthodoxie nach Deutschland transferieren könnten, dann würde ich mich der Orthodoxie öffnen. Vorher nicht.

Montag, 25. September 2006

Let's get loud!

Ach ja, unsere Rosch ha-Schana Single Party war mal wieder schön. Natürlich war es keine offizielle Single Party, dazu sind wir ja viel zu zniesdig, aber es fanden sich halt die entsprechenden Menschen zusammen - nämlich alle diejenigen, die nicht auf die RhS Partys der High Society and Koschernostra eingeladen wurden, wo man den Abend in andächtiger Religiösität verbringen muss. Aber wir haben uns ja auch relativ ordentlich verhalten. Natürlich hatten wir mal wieder viel zu viel gekocht, vom Alkoholkonsum schweigen wir hier mal besser (wie, is scho Purim?). So etwa um halb zwei nachts waren wir dann beim Tischgebet angelangt, dazu muss man erwähnen, dass inklusive meiner laienhaften Wenigkeit drei Kantoren anwesend waren und auch die anderen sechs Anwesenden mit recht kräftigen Stimmen ausgestattet sind. Ein paar aufmerksame Passanten - die offensichtlich davon gehört hatten, dass auch in Duisburg Islamisten ihr Unwesen treiben - hörten nur etwas von Israel und schickten sich an, die Polizei zu rufen. Wäre sicherlich sehr interessant geworden!

Da es kurz vor Jom Kippur ist, muss ich hier auch mal Abbitte leisten. Der Gastkantor aus Ungarn gehört nämlich zu Chabad Lubawitch, was mich etwas mißtrauisch machte - aber er war sehr nett und aufgeschlossen. Wenn er nicht in Duisburg amtieren würde, wäre er auch gern mal zu Etz Ami gekommen, um sich unseren Schabbat Schuwa G'ttesdienst in Selm anzuschauen. Ihr hättet mal unser gemeinsames Lewandowski Ma Towu hören müssen!

Also auch ohne netten Kantor aus Ungarn - nicht vergessen, in Selm ist nächsten Schabbes um 10.00 h G'ttesdienst! Nähere Infos hier www.minjan.de

Donnerstag, 21. September 2006

Schana Towa alltogether!

Die Vorbereitungen für das große Rosch Ha- Schana Essen sind (fast) abgeschlossen und ein weiteres, ereignisreiches Jahr näherte sich seinem Ende, aber ich schaue zuversichtlich in die Zukunft. Ich wünsche uns allen ein tolles, süßes und friedfertiges Jahr 5767 !!!!!

Da ich ja sonst keine Hobbies habe ;-) , findet sich unter untenstehendem Link ein kleiner Ausblick zum Neujahrsfest 5830, nämlich die jüdisch aufgemotzte Fanfiction-Variante des Romans um den netten Herrn Hirschmann:

http://www.fanfiction.net/s/3154646/1/

Viel Spass beim Lesen,

Eure Mirjam Lea

Donnerstag, 14. September 2006

Läster, läster!

Ach ja, ich bin meinen Gemeindereport ja noch gar nicht losgeworden, ich war nämlich vor ein paar Wochen mal wieder in meiner Heimatgemeinde MG, die ich nun seit Sukkes letzten Jahres nicht mehr besucht habe, da der damalige Rabbiner nichts von Frauen in der Sukke hielt (vielleicht hat er das Buch von Eva Herrmann gelesen.) Also, inzwischen gibt es einen neuen Rebben der gleichen Richtung, der solchen Mist bisher aber noch nicht verzapft hat. Die Mechitze ist wieder rechts und links durchsichtig und auch der Kiddusch gut wie eh und je. Immerhin sang der Rebbe Eschet Chajil für uns Frauen, ist doch nett oder? Auch machte er sich für uns zwei deutschsprachige Besucher die Mühe, seine Drosche auf Deutsch zu übersetzen und diskutierte auch ein bißchen mit uns. Kurzum, ich halte zwar immer noch nichts vom Orthodoxieschub der Gemeinde, aber die Menschen dort sind nett und sehr gastfreundlich und das entschädigt für einiges. Und singen durften wir Frauen auch, ganz im Gegensatz zu einer angeblich liberalen Gemeinde im Ruhrgebiet, wo man mich deswegen mit recht unflätigen Ausdrücken bedachte. Nix gegen Prosys, aber dieser hatte offensichtlich noch nicht gemerkt, dass er sich nicht mehr in seiner erzkatholischen Kirche befand sondern in einer sogenannten modernen Gemeinde....

Es lebe das Hausfrauendasein!

Nachdem ich gestern meinen wöchentlichen Stargate-Abend genossen habe - leider keine jüdischen Helden darin, obwohl mich Daniel Jackson sehr an meinen sprachbegabten Judaistikdozenten Theodore Kwasman erinnert - zappte ich mich noch ein bißchen gelangweilt durch das spätabendliche Programm. Während es in der Stargate Serie einige wirklich sympathische Heldinnen gibt, die in All hinausziehen und sich auch mal prügeln, gab es in der realen Welt eine heiße Diskussion um das neue Buch von Tagesschau Sprecherin Eva Herrmann, in dem wohl die klassischen Hausfrauenwerte wie Zurückhaltung, das Schaffen eines gemütlichen Heims für den stressgeplagten Ehemann und das Glück der Kindererziehung gepriesen werden. Ächz! Ich habe das Buch nicht gelesen und werde mein knappes Geld auch nicht daran verwschwenden, aber ich frage mich, wer kommt auf solche Ideen und räumt ihnen auch noch Sendezeit ein? Und warum machen sich Feministinnen die Mühe, auch noch im Fernsehen dagegen zu halten, anstatt sich einfach darüber zu amüsieren? Sicher, auch unsere orthodoxen Freunde preisen klassische Frauentugenden, aber so weit würden selbst sie heute nicht mehr gehen, dagegen liest sich die Homepage von Chabad ja wie ein Buch von Alice Schwarzer!

Es ist traurig, dass die Autorin offensichtlich so viel Publicity findet. Liegt das an der Rezession? Glauben wir ernsthaft, wenn alle Frauen brav an den Herd zurückgehen, dann löst das das Arbeitslosenproblem? Das hat in der deutschen Geschichte schon mal jemand versucht und Akademikerinnen und Beamtinnen aus ihren Ämtern verdrängt (für die Rüstungsindustrie waren die Frauen dann aber doch als Arbeiterinnen gesucht.), wie es ausgegangen ist, wissen wir. Vor allem, wo sind die Frauen, die glücklich zu Hause sitzen, wenn vom Sitzen überhaupt die Rede sein kann? Krankheitsbedingt sitze ich im Moment auch zu Hause und ich bin nicht sonderlich glücklich dabei, auch wenn ich nicht verhungern muss. Aber nichts geht über finanzielle Unabhängigkeit von Mann oder Staat. Also ab ins Kuriositätenkabinett mit solchen Ideen!

Deutsche Juden 2069 - Gmar Chatima Towa Präsident Hirschmann

Jetzt habe ich so lange nicht mehr gebloggt, dass ich schon fast meinen Usernamen vergessen habe!

Letztens kam ich auf Umwegen zu einer Sci-Fi Jugendserie zurück, die ich als Teenager gern gelesen habe (Ich sah in der Stadt einen Mann mit Collie, wie ihn der Bösewicht in jenen Büchern hatte und wurde auch tatsächlich nach den Büchern im Internet fündig, weil meine Originale wahrscheinlich längst im Keller verschimmelt sind.) Was das jetzt mit Judentum zu tun hat? Auf Talmud.de (http://www.talmud.de/cms/Juden_und_Juedisches_in_d.125.0.html?&no_cache=1&sword_list[]=Science-Fiction) hatte ich vor Jahren einmal einen Artikel über jüdische Personen in Science Fiction Filmen geschrieben und welche Rolle sie darin spielen. Ich erhalte noch immer Zuschriften über Personen, die ich vergessen habe, z.B. Ivanowa aus Babylon 5 (sorry, die Serie war mir einfach zu bunt), dabei hatte ich jene Hauptfigur aus meinen damaligen Lieblingsbüchern ebenfalls vergessen, Präsident Samuel Hirschmann, Jude deutscher Abstammung. Der Autor vermied allerdings das Wort Jude geflissentlich, wahrscheinlich war das in den Siebzigern noch schwieriger als heute, und entsprechend verkrampft ist dann auch die Darstellung der gesamten Person, die wunderbar in mein beschriebenes Klischee vom jüdischen Mahner passt, bis auf ein erzwungenes Umschwenken des alten Präsidenten auf die "dunkle Seite".

Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein böser Militarist mit Hund - auch sehr klischeehaft, der texanische General Smith als Mischung aus George Bush und J.R. Ewing ohne Sex-Leben - putscht sich im Jahr 2069 in der westlichen Welt an die Macht und baut einen elektronisch unterstützten Polizeistaat auf. Da er sicherheitshalber auch auf die Macht der Propaganda setzt, will er den anerkannten, beliebten Präsidenten dazu überreden, eine Abdankungsrede in seinem Sinne zu halten. Witzig ist, das das Gespräch am 25. September 2069 stattfindet und die beiden erst einmal über einer Tasse Tee den Sachverhalt diskutieren. Hat der Präsident vielleicht daran gedacht, dass an diesem Tag Jom Kippur ist und er sich vielleicht mit seinem politischen Gegener versöhnen sollte? Nö, so jüdisch ist er nun auch wieder nicht, oder der Autor hat 1970 einfach noch nicht den genialen Kaluach gehabt. Da er, wie sich das für den alten jüdischen Mahner gehört, auch sterbenskrank ist, sei ihm auch die Tasse Tee mit dem General gegönnt, den er immerhin in ein interessantes Gespräch verwickelt: "Mein Hund kennt mich, wie ich wirklich bin." "Hunde werden auch nicht verhaftet". Natürlich widersteht der alte Mann und kann erst per elektronischer Gehirnwäsche auf den neuen politischen Kurs gebracht werden. Wenn man bedenkt, dass derzeit wieder die Elektroschocktherapie in der Psychiatrie en vogue wird, ist das vielleicht gar keine Science Fiction.

Aber es gibt noch anderes Jüdisches im Buch, nämlich als der Held des Geschehens heimlich im elektronisch abgehörten Wohnblock seiner Freundin Ruth die Flucht aus den Fängen des "tollwütigen Texaners" plant - hier ist nicht George Bush gemeint, sondern der hundeliebende Bösewicht - zur Ablenkung des Geheimdienstes nämlich wirft er die Stereoanlage seiner Freundin an und "ein alter synagogaler Gesang ertönte", der die Geheimpolizei ordentlich verwirren sollte. Da wir uns immer noch zur Zeit der hohen Feiertage befinden, so meine Spekulation - geht der Trick auch auf. Vielleicht dachten die Polizisten ja, dass da jemand ordentlich Sukkot feiert. Ich würde jedenfalls gern wissen, wie man Sukkot im Jahr 2069 feiert, vielleicht mit einer recylingfähigen Plastiksukke?

Na jedenfalls war das mal wieder ein spannender Ausflug in meine Jugendzeit, damals fiel mir nämlich noch gar nicht auf, wie klischeehaft das alles war. Gelesen habe ich das Buch trotzdem noch mal gern.

Unser Rabbiner hat übrigens mal in einer texanischen Gemeinde gearbeitet, da brachten die Leute einen Kasten Bier zum Kiddusch mit. Aber sie feuerten nicht ihre Revolver ab, satt an Rosch ha Schana Schofar zu blasen - vielleicht hätte das ihre Collies erschreckt.....

Mehr Infos zum Buch und auch ein Forum, in dem über Klischees darin diskutiert wird, gibt's hier: www.markbrandis.de

An die Jungs, die aus dem ganzen ein Hörspiel machen wollen, synagogale Musik gibt es hier: www.virtualcantor.com