Freitag, 25. August 2006

Doppelmoral

Die Medien beschäftigen sich derzeit ausgiebig mit dem Fall der kleinen Natascha, die acht Jahre lang von einem Fremden im Keller gefangen gehalten wurde. Schon immer hat sich die Presse lieber mit dem bösen fremden Mißbraucher beschäftigt, als mit sexuellem Mißbrauch in der Familie - es sei denn es wäre zumindest eine Schwangerschaft dabei herausgekommen und man kann über die Behinderungen des Kindes eine reißerische Reportage machen - denn familiärer Inzest wird noch immer als Tabu betrachtet. Sehr beliebt ist es auch, einen Täter zu finden, der bereits in psychiatrischer Behandlung war, das Opfer kommt nämlich immer nur in "psychologische Betreuung", das hört sich doch viel harmloser an und läßt sich doch vielleicht sogar noch zu einer Talkshow mit hauseigener Schnellbetreuung vermarkten. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus, selten findet ein Opfer sofort eine effektive Traumabehandlung, sondern geht durch verschiedene psychiatrische Diagnosen hindurch und ist später selbst Patent in der Psychiatrie, einschließlich gesellschaftlicher Stigmatisierung. Denn für Psychiatriepatienten hat die Presse selten ein gutes Wort übrig, gelten sie doch vielen Menschen immer noch als Versager oder gar geistesgestörte Kriminelle.

Wegschauen ist mal wieder das Hauptproblem. Ich hatte immer ein wenig Probleme mit dem diesbezüglichen halachischen Recht, zwar schützt es das Recht der vergewaltigten Frau ohne die üblichen Schuldzuweisungen, aber nur außerhalb der Stadt, wenn niemand ihre Schreie hören kann. In der Stadt hingegen geht die Torah davon aus, dass die Frau oder das Mädchen eine Chance hat, um Hilfe zu rufen. Leider geht die Halacha hier von einem Idealzustand aus, nämlich dem, dass ein um Hilfe rufender Mensch diese auch von seiner Umgebung erhält und das ist leider seltenst der Fall. Auch im Fall von Natascha will niemand etwas bemerkt haben, ja, ein Reporter ging sogar so weit zu fragen, warum sie gelegentliche Einkaufsgänge nicht zur Flucht genutzt habe. Hat dieser Mann schon mal versucht, sich in die Psyche eines traumatisierten Menschen hineinzufühlen, der vor Angst erstarrt ist und eine solche Entscheidung zur Flucht gar nicht treffen kann? Entweder weil er bereits zu entmutigt ist oder sich seine grauenhafte Situation schönredet, um in ihr überleben zu können? So wie wir alle die Geschichte vom "freundlichen SS-Mann" kennen, der dem Häftling eine Zigarette schenkt und ihn so für einen Moment vergessen läßt, in welch demütigender. lebensbedrohlicher Lage er sich befindet. Ein Mädchen kriegt vielleicht Schokolade oder eine Haarspange und klammert sich an diese Augenblicke scheinbarer Freundlichkeit.

Aber in den meisten Fällen ist es ja gar nicht der böse Fremde, sondern ein Familienmitglied. In diesem Fall sind die Chancen des Opfers auf Hilfe noch geringer, denn meist setzt die Familie mit Drohungen und Einschüchterungen alles daran, den schönen Schein nach außen hin zu wahren. Nicht umsonst verbietet die Torah den Inzest, ich denke der wahre Grund hinter diesen Vorschriften ist die Bewahrung des Respekts zwischen den Sexualpartnern, das Werben um einen Menschen und das Bewußtsein, dass man sich diesen nicht wie ein Spielzeug einfach aneignen kann. Bie Inzest in der Familie wird das wohl kaum gegeben sein, auch wenn er mit scheinbarer Einwilligung stattfindet, denn die Machtverhältnisse sind klar. Auch bei scheinbar "gewaltfreien" Formen des Mißbrauchs hat das Opfer kaum eine Chance, sich zu verweigern und trägt schwere psychische Schäden davon, die sich in körperliche verwandeln können, wenn es seinen Leidensdruck lange Jahre nach außen verbergen muss. Oft müssen Frauen den Täter sogar später pflegen und wieder hat er das Mitleid auf seiner Seite, während das Opfer sich wieder mit seinen Erinnerungen auseinandersetzen muss. Schließlich kann man den armen Opa nicht ins Heim geben! Der Täter geht ohne Strafe aus, während das Opfer oft lebenslang geprägt ist.

Es gibt Hilfe, aber es dauert oft lange, bevor man diese in Anspruch nimmt. Entweder erkennt kein Arzt das Problem oder das Opfer selbst schämt sich, alles aufzudecken, hat Angst, die Familie in den Schmutz zu ziehen (ein Fall von Elternehrung, den die Torah sicherlich nicht meint!). Ohne Bestrafung des Täters kann aber meist noch nicht einmal Hilfe aus dem OEG beantragt werden. Ärzte aber haben Schweigepflicht, auch die vielgeschmähten Psychiater. Eine Thearpie hilft immerhin, mit den Traumafolgen einigermaßen leben zu können und das Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen.

Hier gibt es Hilfe:

www.schotterblume.de
www.alexianer-krefeld.de Haben eine sehr gute Traumastation mit ganzheitlicher, sanfter Traumatherapie. Notfallsprechstunde montags von 13.30 - 14.30 h (Überweisungsschein erforderlich)

Donnerstag, 24. August 2006

Tante Emmas Wahrheiten über das Judentum

Gestern sass ich im Wartezimmer meines Psychologen und griff neugierig nach der neuesten Ausgabe der Emma, die auch mit einem Bericht über Rechtsradikale warb, der diesen reichlich Gelegenheit zur Selbstdarstellung gab. Nun Dummheit spricht für sich, könnte man denken, also weiterblättern. Ich stieß dann auf einen Bericht über Dan Browns Sakrileg, offensichtlich hatte sich die Zeitschrift nun entschlossen, auch ihren Senf dazu zu geben, nachdem andere Magazine das schon früher im Jahr getan haben.

Nach einer ausgiebigen Diskussion über die Haltung der katholischen Kirche - Verschwörungstheorien inbegriffen - kam die Autorin zu der Überzeugung, dass Jesus eine Lebensgefährtin hatte. Uns Juden haut es ja nicht vom Hocker, dass er als Rabbi verheiratet war, aber für manche Christen ist das offensichtlich noch eine große Sensation, sonst würde sich der eher mittelmäßige Thriller von Dan Brown wohl nicht so gut verkauft haben. Interessant wäre wohl eher, mal auszugraben, wie die Nachbarinnen von Maria darauf reagiert haben, dass ihr Sohn so lange unverheiratet war. "Oh G`tt, er ist doch Rabbi und noch nicht unter der Chuppe, er wird doch wohl nicht..." oder "Meine Cousine hat da so eine nette Tochter, schon fünfundzwanzig, aber sie kocht gut und kann ihm in der Werkstatt die Buchhaltung machen...." - aber die Aufzeichnungen dieser Gespräche sind wahrscheinlich in den Geheimarchiven des Vatikan verschwunden oder werden in Area 51 unter Verschluß gehalten.

Also weiterlesen, mal schauen, was sonst noch so kommt. Irgendwann taucht dann mal der folgende Absatz auf:

Während traditionelle Juden und Christen (sowie Muslime) an einen männlichen Gott glauben, der direkt zu auserwählten Männern spricht und ihnen die Heilige Schrift offenbart, glaubten die (meisten) GnostikerInnen an eine kosmische Gottheit, männlich und weiblich zugleich, die im Lichtreich (Pleroma) wohnt, ohne sich zu offenbaren.

Ahaaaaaa! Denke ich, klar, wir glauben an einen männlichen G`tt, schön, das die Autorin mir das mitteilt, sonst hätte ich das gar nicht gemerkt, ich habe mir G`tt nämlich eigentlich nicht wie den Coca Cola Weihnachtsmann vorgestellt. Schechina hin, Ruach her, klar das wir Juden mal wieder einer reinen Machoreligion angehören. Und die weiblichen Prophetinnen, zu denen G`tt sprach, werden auch mal eben unterschlagen. Wahrscheinlich hat die Autorin mal ein paar ultraorthodoxe Schwarzröcke getroffen und dnekt jetzt, dass wir alle so sind. Wunderbar, diese fundierten theologischen Erkenntnisse über meine Religion, während die Gnosis mal eben als feministische Weltanschauung geadelt wird...

Aber ich rege mich nicht auf....ich rege mich nicht auf....

Nacktschnecken

Gilt es eigentlich nach Schulchen Aruch auch als Notwehr, Nacktschnecken im Garten zu killen? Leider sind die Dinger nicht koscher, sonst hätte ich mein Mittagessen schon zusammen....Frust!

Willkommen im Reservat

Gestern habe ich lange mit meiner Freundin telefoniert, über unseren jetzt schon seit einiger Zeit anhaltenden Gemeindefrust. Damit meine ich jetzt nicht Etz Ami, sondern die Einheitsgemeinde, die wir seit einigen Jahren aufsuchen. Irgendwie zieht es mich in letzter Zeit gar nicht mehr so sehr dort hin, da ich mehr oder minder das gefühl habe, dass dort kein Judentum gelebt wird, sondern hauptsächlich in jüdisches Theaterstück aufgeführt wird. Ich fühle mich stark an Ritterspiele auf Burg Linn erinnert, bloss dass die Leute dort wenigstens ihren Spass haben und wissen, dass sie nur eine Show aufführen. Änderung ist nicht in Sicht, obwohl wir im letzten Jahr hoffen durften, dass sich endlich einmal etwas bewegt. Leider ist das Engagement im Frust versunken, da einige Verantwortliche es wohl vorziehen, dass keiner etwas für die Gemeinde tut, bevor sie in ihrem Posten gefährdet werden. Damit man mich nicht falsch versteht, ich halte das nicht für ein jüdisches Problem, da ich grundsätzlich der Meinung bin, dass viele unserer Gemeindeprobleme mehr in persönlicher Eitelkeit begründet sind als in der sogenannten Tradition. Bleibt nur die Hoffnung, dass sich irgendwann eine neue Generation durchsetzt...

Ich hab` jetzt auch einen....


So, jetzt gehe ich auch unter die Blogger, mal schauen, wie lange mein oller PC das mitmacht. Zeit habe ich jedenfalls im Moment, aber das will ich jetzt nicht näher vertiefen.

Hier werde ich also in Zukunft meine netten Bemerkungen zu meiner jüdischen Umgebung und auch einiges Privates loslassen, also hrzlich willkommen liebe Leserinnen und Leser!

Eure Mirjam Lea