Freitag, 15. Dezember 2006

Zniut - oder warum die Orthodoxie manchmal doch Recht hat

Bisher bin ich in meinem Leben eher unfreiwillig Schomer Negiah gewesen, einfach auf Grund meiner Erfahrungen und weniger aus religiösen Gründen. Ich halte nicht viel davon, mit tiefen Gefühlen zu experimentieren und halte die sexuelle Revolution für den übelsten Trick, den sich der männliche Teil der Menschheit je ausgedacht hat. Aber es geht ja nicht immer gleich um Sexualität, sondern manchmal einfach um menschliche Nähe. Als ich auf www.askmoses.com die Tipps der Rebbezin zum Thema Flirten und lockerer Sprache zwischen Männern und Frauen gelesen habe, kam mir das alles recht altbacken und lächerlich vor und ich dachte, nun, so eng muss man es ja nun auch nicht sehen. Ich bin von jeher nicht grundsätzlich dagegen gewesen, auf Zniut zu achten, mich störte nur der sehr strenge Umgang damit.

Nun mußte ich mich aber eines Besseren belehren lassen, denn ich habe mich jüngst auf das absolut dämlichste Experiment meines Lebens eingelassen. Um meine Hemmungen im Umgang mit dem männlichen Geschlecht zu besiegen, schlug meine Therapeutin vor, ich solle das doch einmal im geschützten Rahmen austesten und das lockere Gespräch mit einem männlichen Mitglied des Teams üben. Nun gut, dachte ich, schaden kann es ja nichts, und ließ mich darauf ein. Schließlich ging es nicht um Körperkontakt, sondern um Gespräche außerhalb des beruflichen und sachlichen Rahmens. Was konnte da schon dabei sein? Also legte ich mich mächtig ins Zeug, jedenfalls für meine Verhältnisse. Zunächst machte es mir auch riesigen Spass, da ich glaubte, genug Selbstkontrolle und Verstand zu haben, um keine tiefergehenden Emotionen zu entwickeln. Es war ja von vornherein klar, dass es hier nicht um einen privaten Kontakt ging, sondern lediglich um eine befristete Übung. Als diese dann zuende ging, litt ich dennoch wie eine dämliche, verliebte Schülerin und plumpste unsanft in die Realität zurück. Um mich selbst einigermaßen souverän aus der Affäre zu ziehen, machte ich meine Gedanken in der Therapiegruppe öffentlich, weil es mir zu dumm war, dieses Thema dann nur unter vier Augen abzuschließen. Zwar wurde ich dann für meinen Mut gelobt, aber in mir blieb das schale Gefühl, mich erstens lächerlich gemacht zu haben und mir zweitens ziemlich viele blaue Flecke geholt zu haben. Ob ich jemanden einen Vorwurf mache? Nein, ich weiß ja, dass ich ziemlich emotional reagiere und das ganze von vornherein hätte ablehnen müssen. Meine Kritik an diesem Experiment blieb den meisten jedoch vollkommen unverständlich, vor allem wollte keiner der Therapeuten so recht sehen, was an diesem Spiel so gefährlich war, was wäre, wenn ich vollkommen durchgedreht wäre?

Also, auch wenn es altmodisch klingt, gewisse Moralvorstellungen haben durchaus ihren Sinn und schützen uns Frauen davor, emotional verletzt zu werden. Ich sehe zwar immer noch keinen Sinn darin, in knöchellangen Röcken herumzulaufen, aber sobald es das Gefühlsleben angeht, ist mir klargeworden, dass man mit zu lockerem Umgang zwischen den Geschlechtern doch vorsichtiger umgehen sollte und schon gar nicht damit experimentiert....

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