Eben habe ich noch einmal ein bißchen in Louis Jacobs
A Tree of Life herumgeblättert, einer interessanten Sammlung zur Entwicklung des jüdischen Rechts, übrigens gehört das Buch zur Pflichtlektüre, wenn man sich am JTS in New York einschreiben will. Ich wollte, nachdem ich Medbrains Blogg
On the Move etwas spannendes zum Thema Abtreibung gelesen habe, mal nachblättern, ob auch Jacobs etwas zum Thema beizutragen hat. Leider nicht, aber im Kapitel über Psychologie der Halacha standen dennoch einige spannende Dinge zum Thema Frauen und jüdisches Recht und wie es darauf Rücksicht nimmt, einige sind Euch vielleicht schon bekannt:
- Im Falle einer Scheidung dürfen Mann und Frau nicht in einem Hof zusammen wohnen bleiben, auch wenn er ihnen gemeisam gehört. Die Frau muss ausziehen, da ihr eher zugetraut wird, sich in einem neuen Umfeld zurechtfinden zu können (Ketubot 28a)
- Ein etwas bekannteres Thema: Bei der Versorgung von Waisen sind Mädchen vorzuziehen, wenn nicht genug Geldmittel vorhanden sind, da es Mädchen nicht zuzumuten ist, Betteln zu gehen (Ketubot 67a)
- Ein Stück Land, das einer Frau nach einer Scheidung auf Grund er Ketuba zusteht, darf nicht gepfändet werden (Gittin 49b) *
- Eine rabbinische Diskussion gab es tatsächlich zum Thema, ob Frauen am Schabbat Schmuck tragen dürfen - heute ist das ja gemeinhin erlaubt. Einige Rabbiner meinten aber, dass Frauen durch ihr natürliches Bedürfnis, diesen vor ihren Freundinnen herumzuzeigen, das Trageverbot übertreten könnten (Schabbat 59b)
Ausgenommen waren hiervon nur vornehme Frauen, die es wahrscheinlich für unter ihrer Würde befunden hätten, den Schmuck abzunehmen und herumzuzeigen. Ich kann nur vermuten, wie sich dieses Gesetz zu unseren Gunsten wandelte, vielleicht ja ähnlich wie die mittelalterliche Diskussion über die aktive Teilnahme von Frauen am G'ttesdienst. Dies sollte nämlich auch nur besonderen Frauen vorbehalten bleiben, bis ein paar kluge Rabbiner entschieden "Alle unsere Frauen sind besondere Frauen". Sie erkannten damit das Verdienst der weiblichen Mitglieder um den Wohlstand der Gemeinden an.
Kurioses gibt es aber auch immer wieder. Als ich mal zur Vorbereitung eines Frauenseminars im Traktat Ketubat stöberte, stieß ich auf eine Diskussion zum Thema weibliche Zeugen. Frauen sind ja bekanntlich bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Familienstandsbezeugungen) nicht vor traditionellen Gerichten zugelassen, was sich erst jetzt ein wenig lockert. Hier ging es um die Frage, ob eine Frau bezeugen dürfe, dass eine andere während einer Gefangennahme durch Feinde Jungfrau geblieben sei. Die Rabbinen entschieden dafür, da eine Frau nur selten ein gutes Haar an einer anderen ließe, und einer solchen Aussage deswegen Glauben zu schenken sei.
Mein feministisches Herz rebelliert zwar gegen die Begründung, aber wenn ich mir manche Gespräche im Bus so anhöre... es scheint leider was Wahres dran zu sein.
Ok, ich bin manchmal auch nicht besser!
* Die Abfindung der Frau durch Geld ist eine relativ neue Regelung. Zwar wurden auch in rabbinischer Zeit Geldbeträge angegeben, aber da Bargeld bis in die frühe Neuzeit eine rare Sache war, schien es sinnvoll, Sachwerte dafür zu nehmen, die aber nicht in den gemeinsamen Haushalt einfließen durften. Der Mann sollte nicht sagen können: "Ich habe dir ja schon das und das gekauft, also geh!"